Thomas Heisig

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Dynamik und Dramatik in Architektur und Bildhauerei

Barock und Rokoko

Die Epoche des Barock (ca. 1600–1750) revolutionierte Kunst und Architektur durch den intensiven Einsatz von Dynamik und Dramatik. Bewegung, Emotion und Inszenierung wurden zentrale Elemente, um die Sinne zu überwältigen und eine starke emotionale Wirkung zu erzielen. Diese Dynamik setzte sich in der Bildhauerei fort, die sich durch fließende Formen und ausdrucksstarke Gesten auszeichnete. Im Rokoko (ca. 1720–1780) wurde diese Dynamik weniger dramatisch und stattdessen durch Verspieltheit und Leichtigkeit ergänzt.


1. Dynamik und Dramatik in der Architektur

1.1 Barock

Die Architektur des Barock ist geprägt von einer intensiven Bewegung und Inszenierung, die den Betrachter in den Bann ziehen sollte.

Merkmale:

  1. Fließende Formen:
    • Wellenförmige Fassaden und geschwungene Linien erzeugen eine visuelle Dynamik.
    • Beispiel: Die Fassade der Kirche San Carlo alle Quattro Fontane in Rom (Francesco Borromini) scheint zu „schwingen“ und wirkt fast organisch.
  2. Monumentale Inszenierung:
    • Große Kuppeln und hohe Decken betonen die Vertikalität und symbolisieren den Himmel.
    • Beispiel:Petersdom in Rom, gestaltet von Gian Lorenzo Bernini und Carlo Maderno, beeindruckt durch seine riesige Kuppel und das dynamische Zusammenspiel von Architektur und Skulptur.
  3. Dramatische Lichtführung:
    • Die gezielte Platzierung von Fenstern schafft Licht- und Schatteneffekte, die die Architektur „zum Leben“ erwecken.
    • Beispiel: Karlskirche in Wien nutzt Licht, um den Altarraum dramatisch zu inszenieren.
  4. Theatralik:
    • Kirchen und Paläste wurden so gestaltet, dass der Betrachter den Eindruck hatte, Teil einer Inszenierung zu sein.
    • Große Treppenhäuser und prächtige Eingangshallen verstärkten diesen Effekt.

Ziel:

  • Die Architektur sollte Emotionen hervorrufen, den Glauben stärken und die Macht der Kirche oder des Staates demonstrieren.

1.2 Rokoko

Im Rokoko wurde die Dynamik des Barock weiterentwickelt, jedoch zugunsten einer leichteren, intimeren Wirkung abgemildert.

Merkmale:

  1. Verspielte Linien:
    • Schwungvolle, asymmetrische Ornamente (Rocailles) prägen die Fassaden und Innenräume.
    • Beispiel:Schloss Sanssouci in Potsdam zeigt elegante, geschwungene Linien und pastellfarbene Dekorationen.
  2. Dekorative Dynamik:
    • Die Architektur wirkt weniger monumental, dafür intimer und verspielter, z. B. durch kleinere Räume mit aufwendiger Dekoration.
    • Beispiel: Die Wieskirche in Bayern kombiniert dynamische Raumgestaltung mit filigraner Ornamentik.

Ziel:

  • Eine intime, ästhetisch ansprechende Atmosphäre, die Freude und Leichtigkeit vermittelt.

2. Dynamik und Dramatik in der Bildhauerei

2.1 Barock

Die Bildhauerei des Barock setzte auf dramatische Gesten, emotionale Ausdrücke und eine Illusion von Bewegung.

Merkmale:

  1. Bewegung:
    • Figuren sind in dynamischen Posen dargestellt, mit wehenden Gewändern oder in dramatischen Momenten eingefroren.
    • Beispiel:Ekstase der Heiligen Theresa von Gian Lorenzo Bernini.
  2. Emotionen:
    • Gesichter und Gesten zeigen extreme Gefühle wie Freude, Schmerz oder Ekstase.
    • Beispiel: Apollo und Daphne (Bernini) zeigt den Moment, in dem Daphne sich in einen Baum verwandelt – ein eingefrorener Augenblick voller Dramatik.
  3. Rauminteraktion:
    • Skulpturen wurden so gestaltet, dass sie mit der Architektur verschmelzen und Teil eines Gesamtkunstwerks sind.
    • Beispiel: Der Baldachin im Petersdom von Bernini verbindet Skulptur und Raumgestaltung.

Technik:

  • Marmor wurde so bearbeitet, dass er fast lebendig wirkte, z. B. durch die Darstellung von Haut, Haaren oder fließenden Stoffen.

2.2 Rokoko

Die Skulpturen des Rokoko sind weniger dramatisch und setzen mehr auf Eleganz und dekorative Leichtigkeit.

Merkmale:

  1. Verspieltheit:
    • Figuren wirken zart und anmutig, oft in harmonischen Posen.
    • Beispiel: Putten und mythologische Szenen, die häufig in Gärten oder Salons integriert wurden.
  2. Dekorative Funktion:
    • Skulpturen waren oft Teil eines Gesamtkunstwerks und wurden in Treppenhäusern, Deckenfresken oder Gärten platziert.
    • Beispiel: Die Skulpturen im Garten von Schloss Nymphenburg.

Technik:

  • Skulpturen wurden oft bemalt oder vergoldet, um ihre dekorative Wirkung zu verstärken.

3. Vergleich: Dynamik und Dramatik im Barock und Rokoko

AspektBarockRokoko
BewegungDramatisch, oft in extremer DynamikVerspielt, zart, weniger ausgeprägt
EmotionenIntensiv, ekstatisch, pathetischLeicht, harmonisch, heiter
Interaktion mit RaumMonumental und raumgreifendIntimer, dekorativ
MaterialwirkungRealismus und Lebendigkeit durch MarmorEleganz, oft bemalte oder vergoldete Skulpturen

4. Ziel von Dynamik und Dramatik

  • Barock:
    • Bewegung und Dramatik sollten den Betrachter emotional überwältigen und die göttliche oder weltliche Macht demonstrieren.
  • Rokoko:
    • Dynamik wurde genutzt, um Leichtigkeit, Eleganz und eine heitere Atmosphäre zu schaffen.

5. Vertiefende Quellen

  1. Bernini und der Barock – Galleria Borghese.
  2. Barocke Kirchenarchitektur – Britannica.
  3. Rokoko und Leichtigkeit – SPSG.

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